Zur Vertragsraumordnung

Ein neues Instrument schafft neue Möglichkeiten raumplanerischen Gestaltens.

In Vorarlberg besteht grundsätzlich kein Rechtsanspruch auf Umwidmung eines Grundstücks in Bauland. Viele Grundstückseigentümer sahen sich gegenüber der Gemeinde bislang als „Bittsteller“. Gemeinden waren mit Umwidmungen in der Vergangenheit auch deshalb sehr zögerlich, weil durch eine Umwidmung von Freifläche in Bauland eine Rückwidmung aufgrund drohender Entschädigungsansprüche praktisch ausgeschlossen ist. Zusicherungen des Grundstückseigentümers über eine zeitnahe Bebauung und Verwendung des Grundstücks waren nicht verbindlich, sodass die Gemeinden derartigen Absichtserklärungen kein Vertrauen schenkten. Schon jetzt sind ca. 30 % der als Bauland gewidmeten Flächen in Vorarlberg nicht bebaut.

Vertragsraumordnung schafft Abhilfe
Mit der am 15. 6. 2011 (§ 38a Vorarlberger Raumplanungsgesetz ) in Kraft getretenen Vertragsraumordnung wurde dieser „Sisyphos-Knoten“ gelöst, indem nun der Gesetzgeber die Voraussetzungen geschaffen hat, zur Verwirklichung raumplanerischer Ziele Raumplanungsverträge abzuschließen. Zwar ist eine direkte, zwingende Verknüpfung zwischen Umwidmung und Raumplanungsvertrag nach der Judikatur rechtlich nicht zulässig, es besteht aber die Möglichkeit, den Raumplanungsvertrag unter der aufschiebenden Bedingung einer anschließenden Widmung in Baufläche abzuschließen.

Anwendungsfälle
Der – nicht abschließende – Katalog des § 38a RPG sieht als Hauptanwendungsfall insbesondere sogenannte Verwendungsvereinbarungen vor. Mit einer derartigen Vereinbarung verpflichtet sich der Grundstücks­eigentümer, die Liegenschaft innert einer bestimmten Frist (zumeist 5-8 Jahre) einer Bebauung („Baulandmobilisierung“) oder einer bestimmten Nutzung (z. B. zum Zwecke der Sicherung von Nahversorgung oder Handelsflächen) zuzuführen. Einen weiteren in der Praxis geübten Anwendungsfall bilden sogenannte Überlassungsvereinbarungen, mit denen ein Grundstückseigentümer der Gemeinde oder einer Baulandsicherungsgesellschaft ein Grundstück zum Zwecke des Gemeinbedarfs zur Verfügung stellt.

Sicherungsmittel und Rechtsstaatsprinzip
Zur Durchsetzung der in Raumplanungsverträgen vereinbarten Verpflichtungen besteht die Möglichkeit der Vereinbarung von Vertragsstrafen, Kaufoptionen, Dienstbarkeitsrechten und vieles anderes mehr. Da derartige Raumplanungsverträge dem Verbot des Rechtsformenmissbrauchs unterliegen (gesetzliche Verbote dürfen nicht umgangen werden), der Gleichbehandlungsgrundsatz anzuwenden ist und die angewendeten Instrumente verhältnismäßig sein müssen, ist infolge der faktischen „Übermacht“ von Gemeinden bei Anwendung derartiger Verträge Zurückhaltung geboten. Zudem handelt es sich um eine ganz neue Vertragsform, hinsichtlich derer noch wenig Erfahrungen und Judikatur besteht. Die Beiziehung eines mit der Materie vertrauten Rechtsanwalts oder anderen Rechtskundigen erscheint daher in jedem Fall geboten.

artikel_11_11Mit dem Abschluss von Raumplanungsverträgen kann eine Win-win-Situation für den Grundstückseigentümer und die Gemeinde erzielt werden. MMag. Josef R. Lercher, RA in Röthis

 

 

Kurz informiert:
Die sogenannte Vertragsraum-ordnung ermöglicht es einer Gemeinde, bei Umwidmungen verbindliche Vereinbarungen für die widmungsgemäße Verwen­dung von Bauflächen oder den Erwerb von Grundstücken für Zwecke des Gemeinbedarfs zu treffen, was auch im Interesse des Grundeigentümers sein kann, wird doch damit die „Umwidmungs-wahrscheinlichkeit“ erhöht.

 

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